Auch ein mündlicher Bedenkenhinweis ist wirksam.
In § 4 Abs. 3 VOB/B heißt es zwar, dass der Auftragnehmer Bedenken schriftlich mitzuteilen hat; diese Schriftform dient aber nur der Beweisbarkeit und ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Ein mündlich erteilter Bedenkenhinweis reicht aus, wenn er eindeutig, inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend ist.
OLG Brandenburg, Urteil vom 29.7.2021,12 U 32/20
Sachverhalt:
Der Auftraggeber eines VOB-Bauvertrages verklagt den Auftragnehmer auf die Zahlung eines Kostenvorschusses wegen Mängeln. Der Auftragnehmer verteidigt sich damit, er habe eingehend, verständlich und technisch präzise über die grundsätzliche Problematik geringer Aufbauhöhen im Fall der Herstellung von Flächenbelegen aus Betonsteinwerken auf unterbauten Flächen sowie über die möglichen Folgen der Gefahr von Fugenverschiebungen hingewiesen. Auf eine nicht ausreichende schriftliche Bedenkenanmeldung käme es somit nicht an.
Entscheidung:
Das OLG Brandenburg gibt dem Auftragnehmer recht und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Es führt aus, dass auch mündliche Bedenkenanmeldungen ausreichend sein können, wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Vorgaben konkret darlegt, damit dem Auftraggeber die Tragweite der Nichtbefolgung hinreichend verdeutlicht wird.
RA Jungs Anmerkungen:
Dass die in § 4 Abs. 3 VOB/B erwähnte Schriftlichkeit der Bedenkenanmeldung kein Wirksamkeitserfordernis ist, sondern nur Beweisfunktion hat, ist ein alter Hut und ganz unbestritten.
In der Praxis erstaunt vielmehr der Vortrag der Auftragnehmerseite in vielen Mängelprozessen, man habe auf das betreffende technische Problem vor Ort auf der Baustelle mündlich hingewiesen und der Auftraggeber habe trotzdem die beanstandete Ausführung verlangt. Der Knackpunkt ist nicht die Form der Bedenkenanmeldung, sondern der Inhalt. Ein solcher Vortrag reicht bei weitem nicht aus.
Schon die schriftliche Bedenkenanmeldung ist in der Regel nicht unter anderthalb Seiten Text zu schaffen. Es wird verlangt, die technische Problematik exakt darzustellen, sodann den anstehenden oder möglichen Verstoß hiergegen und schließlich, was ein Verstoß in technischer aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht für den Bestand des Gewerkes an Nachteilen für den Auftraggeber mit sich bringt. Das ist so aufwendig, dass die Auftragnehmer das schon schriftlich kaum hinbekommen.
Und etwas Derartiges soll dann ernsthaft in dieser erforderlichen Ausführlichkeit mündlich auf der Baustelle mitgeteilt worden sein? Das dürfte in den allermeisten Fällen schlicht und ergreifend Wunschdenken sein.