Der beliebte Einwand „Sonderkonstruktion“
Der Hinweis des Architekten auf die mit einer Sonderkonstruktion verbundenen Folgen schließt dessen Haftung wegen Planungsmängeln nur dann aus, wenn der Auftraggeber zugleich darüber aufgeklärt wurde, dass die Sonderkonstruktion nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.
KG, Urteil vom 15.04.2024 - 7 U 152/21
Sachverhalt:
Ein Architekt plant und überwacht die Instandsetzung und Modernisierung eines Wohngebäudes. Die Fenster verursachen aufgrund einer vom Architekten gewählten Sonderkonstruktion Zugluft.
Der Auftraggeber nimmt den Architekten (und den bauausführenden Auftragnehmer) auf Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung in Anspruch. Der Architekt meint, er hafte nicht für den Mangel, da er den Auftraggeber darauf hingewiesen habe, dass eine Sonderkonstruktion errichtet werde.
Entscheidung:
Der Auftraggeber gewinnt, der Architekt haftet.
Mit der Behauptung des Architekten, er habe den Auftraggeber auf die gewählte Sonderkonstruktion und damit verbundene Zugluftfolgen hingewiesen, muss sich das Gericht nicht einmal beschäftigen. Denn die Sonderkonstruktionen entspricht nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik und schon auf diesen Verstoß hätte der Architekt den Auftraggeber hinweisen müssen.
RA Jungs Anmerkungen:
Das Urteil befasst sich noch mit einer Reihe anderer Grundsätze, ich habe es aber gerade wegen des Aspektes der „Sonderkonstruktion“ dargestellt.
Wenn Auftragnehmer oder Architekten mit Verstößen gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik und damit mit Mängeln konfrontiert werden, wird von diesen häufig reflexhaft einfach der Begriff „Sonderkonstruktion!“ in den Raum geworfen. Damit soll fast immer suggeriert werden, es läge zwar ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik vor, diese seien aber im konkreten Fall deshalb nicht anwendbar, weil diese sich nicht auf Sonderkonstruktionen bezögen.
Das ist fast immer falsch. Außerdem nervt es, mich jedenfalls.
Im Rahmen eines Bedenkenhinweises werden der Auftragnehmer und der Architekt nur dann von der Gewährleistung frei, wenn sie zunächst auf zum Beispiel den DIN-Verstoß ausdrücklich hinweisen und den Auftraggeber dann auch über die Bedeutung und die Tragweite der Fehlerhaftigkeit ihrer Leistung umfänglich aufgeklärt und belehrt haben. Zu dieser Aufklärung gehört es auch, zu erläutern, welche künftigen praktischen Folgen der DIN-Verstoß hat. Sodann muss der Auftraggeber der Sonderkonstruktion noch zustimmen.
Das alles erlebt man in der Praxis äußerst selten. Das reflexhafte Herausgrölen allein des Begriffes „Sonderkonstruktion“ entlastet Auftragnehmer und Architekten nicht.